Stuttgart (ars). Glaubensgemeinschaften müssen neu ihren Ort in pluralen Zivilgesellschaften finden und sich den Herausforderungen der Globalisierung stellen – so lautete ein Fazit der Tagung „Kirche und Umma – Glaube und Gemeinschaft in Christentum und Islam“ in der Reihe Theologisches Forum Christentum – Islam, an der rund 150 islamische und christliche Theologen aus acht europäischen Ländern teilnahmen. Glaubensgemeinschaften sind kein Zweck in sich selbst, sondern Zeugen für Gott in einer von wachsender Verstädterung und sozialer Not geprägten Welt.
Der Religionswissenschaftler Christoph Bochinger betonte, dass sich Religionen angesichts der Säkularisierung als ein autonomes Subsystem neben anderen begreifen müssen. Außerdem sei es erforderlich, dass sich Muslime und Christen verstärkt auch auf Religionslose einlassen. Der Sozialethiker Christian Polke von der Universität Hamburg kritisierte die Fixierung der Kirchen auf den Staat. Es sei kontraproduktiv, wenn sich die muslimischen Verbände an diesem Modell orientierten, das nicht mehr der Situation der Moderne entspreche.
Immer wieder kamen im Laufe der Tagung auch Unterschiede zwischen den beiden Religionen zur Sprache. Die neu berufene muslimische Professorin Maha El Kaisy-Friemuth von der Universität Erlangen betonte, dass Umma eine philosophische Idee und eine Verantwortungsgemeinschaft sei. Mohammad Gharaibeh von der Universität Bonn zeigte auf, dass die Umma in einem System der Überlieferung und Autorisation sichtbar werde. Wenn Muslime heute Theologie treiben wollen, müssen sie an die klassischen Traditionen anknüpfen – so Gharaibeh. Ertugrul Sahin von der Universität Frankfurt hob die Vielfalt der Existenzweisen der Umma hervor. Schließlich ging es um wechselseitige Lernmöglichkeiten zwischen den Religionen. Die starke Ausrichtung auf das Individuum im Islam sei auch eine Herausforderung für das Kirchenverständnis, so die systematische Theologin Johanna Rahner von der Universität Kassel.
Im Rahmen der Tagung wurde zudem ein neues Evaluationsprojekt des Theologischen Forums vorgestellt, das bis März 2014 die bisherigen Dialoge des Forums auswerten soll. Die Evaluation unter der Leitung der Religionswissenschaftlerin Gritt Klinkhammer (Universität Bremen) soll zur vertieften Reflexion dienen und Ergebnisse und Wirkungen des Dialogs sichtbar machen sowie offene Fragen für eine zukünftige Agenda herausarbeiten. Die Evaluation wird von der Georges-Anawati-Stiftung, der Dr. Buhmann-Stiftung und dem Verein der Freunde und Förderer der Akademie gefördet.
Das vom Bundesministerium des Innern geförderte „Theologische Forum Christentum – Islam“ ist ein seit 2003 bestehendes Netzwerk christlicher und muslimischer Theologen, das einen Beitrag zur Verständigung zwischen beiden Religionen sowie zu einer in Deutschland verankerten islamischen Theologie leisten möchte. Am Forum sind Vertreter aller fünf universitären Zentren für islamische Theologie in Deutschland beteiligt. Die Vorträge und Ergebnisse der Tagung werden wiederum in der Buchreihe „Theologische Forum Christentum – Islam“ im Verlag Friedrich Pustet veröffentlicht, in der bereits sieben Bände erschienen sind.