„Ein Friedenspreisträger soll nicht zum Krieg aufrufen. Doch darf er zum Gebet aufrufen?“ Mit dieser Frage und dem sich anschließenden öffentlichen Gebet prägte Navid Kermani eine langanhaltende Diskussion um das Verhältnis von Religion und Öffentlichkeit.
Auf der anderen Seite stellt Gebet sich als eine sehr persönliche Angelegenheit dar, die Ausdruck der je individuellen Beziehung des Menschen zu Gott ist. Doch vollzieht sich Glauben häufig als eine gemeinschaftliche Praxis, was auch zu der Frage führt, ob und wie Christ*innen und Muslim*innen gemeinsam beten können. Vorschläge hierzu gehen von einer liturgischen Gastfreundschaft bis hin zu gemeinsam gestalteten Gebetsformen.
Der Begriff der Spiritualität verweist darauf, dass Sinnbedürfnisse heute oftmals jenseits der klassischen und institutionell verorteten Formen des Religiösen zu erfüllen gesucht werden. Dies bringt die anspruchsvolle Aufgabe mit sich, verschiedene Formen der Spiritualität bzw. Frömmigkeit in ihrem Verhältnis zueinander zu bestimmen. Spezifische – im Islam und Christentum etablierte – Formen wie das Bittgebet bzw. die Anrufung (arab. duʿāʾ) sind dabei im Besonderen auf ihre theologischen Implikationen zu befragen.