„Insoweit man sich selbst als ’spezifisch‘ entdeckt, ja als einzigartig sieht, fängt man an, auch ’spezifisch Andere‘ zu sehen, die ebenfalls einzigartig sind. Das Spezifische bei ihnen begegnet uns dann öfters als das Umgekehrte oder das Gegenteil unseres spezifisch Eigenen. […] In dieser Dualität gibt es dann eine Lust zur Auseinandersetzung, ja zum verborgenen oder offenen Streit. Das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen ist im Laufe der Geschichte in mancher Hinsicht ein Beispiel einer solchen Dualität gewesen, wobei der eine den anderen – jedenfalls der Idee nach – als einen rivalisierenden ‚Anderen‘ erfährt. Zusätzlich gab es einen weltlichen Machtstreit.“
Aus einer religionswissenschaftlichen Perspektive untersucht Jacques Waardenburg, in welcher Weise und aus welchen Gründen Christen und Muslime sich als Gegensatz wahrnehmen. Gegen eine solche Verhältnisbestimmung sezt er die These: „Der konstruierte Gegensatz von Islam und Christentum ist begrifflich zu verwerfen.“ Für seine Argumentation geht Waardenburg von einer kontextsensiblen Analyse der gesellschaftlichen Situation aus, untersucht religiöse Identitätsbildung und plädiert dafür durch eine neue Selbstsicht auch den Blick auf die Gläubigen der anderen Religion zu wandeln.