Eine wirkliche theologische Auseinandersetzung mit dem Islam sei nicht in Sicht, lautet ein gängiges Vorurteil. An der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart konnte es ein gutes Stück entkräftet werden. Vom 5. bis 7. März fand dort das zweite „Theologische Forum Christentum – Islam“ statt mit dem Titel „Heil in Christentum und Islam. Erlösung oder Rechtleitung?“. 40 Theologen und Islamwissenschaftler aus sechs Ländern diskutierten über das Heilsverständnis und Menschenbild der beiden Religionen. Ziel des ökumenischen Forums ist es, die Beschäftigung mit dem Islam zu einem zentralen Bestandteil christlicher Theologie zu machen. Damit will das Forum auch einen Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander von Christen und Muslimen leisten.
Der Tübinger evangelische Theologe Stefan Schreiner betonte in Stuttgart, die Wahrnehmung der Unterschiede und die Befähigung zum Leben mit ihnen sei zentral für das interreligiöse Miteinander. Viele pauschale Gegenüberstellungen der beiden Religionen konnten auf der Tagung verfeinert werden. Daneben wurden grundsätzliche Gemeinsamkeiten im Menschenbild von Christentum und Islam erkennbar. Beide Religionen betonen gleichzeitig Freiheit, Eigenverantwortung und die Abhängigkeit des Menschen vom Schöpfer.
Auf die theologische Perspektive kann in aktuellen Zusammenhängen nicht verzichtet werden. Dies wurde in den Diskussionen einer Arbeitsgruppe unter der Leitung des Rostocker Religionswissenschaftlers Klaus Hock deutlich. Sie befasste sich mit der „geistlichen Anleitung“ der Attentäter des 11. September. Dieser Text zeigt, dass Heilsgewissheit auch ein erster Schritt zum Unheil sein kann. Weil das Unheil der Opfer und die diesseitige Welt ausgeblendet werden, handelt es sich um eine Pervertierung des islamischen Heilsverständnisses.
Strittig blieb die Frage, ob sich Christentum und Islam gegenseitig ergänzen, oder ob sie zwei einander ausschließende Alternativen darstellen. Der libanesische griechisch-orthodoxe Theologe Assaad Kattan formulierte die Leitfrage: „Wie können wir eine Sensibilität für den Islam entwickeln mit unseren christlichen Augen, ohne dass sie aufhören christliche Augen zu sein?“ Der Jesuit und Islamwissenschaftler Christian Troll sprach von einer „Pflicht zur Antwort“ auf Anfragen von Muslimen.
Die innerchristliche konfessionelle Vielfalt der Teilnehmer erwies sich in Stuttgart nicht als Hindernis, sondern als Bereicherung für die Auseinandersetzung mit dem Islam. Teilnehmern wie Veranstaltern scheint jetzt die Zeit reif zu sein für eine Erweiterung des Forums um muslimische Theologen.