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Aktuelle biologische Erkenntnisse zur Geschlechterdifferenz am Beispiel Gehirnforschung: Das biopsychosoziale Modell

Der Beitrag zur Jahrestagung des Theologischen Forums ChristentumIslam „Theologie – gendergerecht?“, erschienen im Tagungsband 2020, diskutiert anhand des Forschungsfelds der Hirnforschung Verhältnisse zwischen Biologie und Genderforschung.

Kerstin Palm analysiert aktuelle biologische Erkenntnisse zur Geschlechterdifferenz am Beispiel der Gehirnforschung. Sie zeigt auf, dass die biologische Forschung lange Zeit dazu diente, eine naturgegebene weibliche Inferiorität zu belegen und damit gesellschaftliche Geschlechterhierarchien zu rechtfertigen. Seit den 1970er Jahren gibt es jedoch Bemühungen, die biologische Forschung für ihren Geschlechterbias zu sensibilisieren. Palm präsentiert Beispiele aus der genderreflexiven Gehirnforschung, die neue Perspektiven aufzeigen.

In der anatomischen Gehirnforschung wurde lange Zeit die Größe bestimmter Hirnstrukturen als Beleg für die unterschiedlichen Fähigkeiten der Geschlechter gedeutet. Heutige Studien zeigen jedoch, dass Differenzen eher vom Alter und der Größe des Gehirns abhängen und nicht vom Geschlecht. Zudem sei der Zusammenhang zwischen Gehirnstrukturen und Verhalten weiterhin ungeklärt. In der physiologischen Forschung wurde früher von einer festen „Verdrahtung“ des Gehirns durch pränatale Hormone ausgegangen. Inzwischen sei jedoch die hohe Plastizität und Veränderbarkeit des Gehirns durch Umwelteinflüsse bekannt. Auch Geschlechterstereotype können Gehirnfunktionen beeinflussen, wie Studien zu räumlichem Vorstellungsvermögen zeigten.

Palm betont, dass biologische und gesellschaftliche Faktoren der Geschlechterdifferenz untrennbar miteinander verschränkt seien. Sie plädiert für eine interdisziplinäre, genderreflexive Gehirnforschung, die dem komplexen Gegenstand gerecht werde und auch gesellschaftlicher Verantwortung besser gerecht werden kann. Wie Lutz Jäncke zusammenfasst: „‚Weibliche‘ oder ‚männliche‘ Gehirne gibt es nicht, da sich kaum dimorphe Merkmale finden lassen, die eine klare geschlechtliche Klassifizierung rechtfertigen.“

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